Haltungsprobleme beim Violaspiel und Ausgleichsmöglichkeiten
von Mascha Seitz
Der Mensch hat sich von seiner Natur weit entfernt. Wir sind nicht mehr die meiste Zeit draußen, klettern selten auf Bäume und laufen kaum noch Strecken, die länger sind als der Weg zu unserem Auto. Dabei sind wir, wenn man heutigen Forschern glauben schenkt, dafür geschaffen, täglich circa 50 Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Barfuß natürlich. Und selbstverständlich nicht nur auf Stein und Asphalt.
Auch das viele Sitzen vor dem Computer ist wohl kaum im Sinne des Erfinders. Wer kennt nicht die daraus resultierenden „Bürokrankheiten“?
Ähnlich verhält es sich leider auch mit dem stundenlangen Spielen eines Instrumentes. Wenn beispielsweise die Viola auch noch so schön ist, bereitet sie dem Spieler auf längere Sicht oft körperliche Probleme. Die dauerhafte einseitige Belastung ist für unseren Körper eine große Herausforderung. Um hier einigermaßen ungeschoren davon zu kommen muss man vor allem auf seine Haltung achten.
Typische Probleme und ihre Ursachen
Üblicherweise klagen Musiker je nach Instrument über verschiedene Leiden.
So haben Pianisten oft Schulter- und Rückenprobleme, Sehnenscheidenentzündung oder Karpaltunnelsyndrom. Die Bläser (insbesondere die mit schwereren Instrumenten) leiden unter Verspannungen im oberen Rücken und den Schultern. Häufig wirkt sich die Belastung der Mundmuskulatur auch auf den Kiefer aus, was weitere Beschwerden nach sich ziehen kann. Dazu kommt beim ein oder anderen Instrument eine nicht zu unterschätzende Gehörbelastung durch die Lautstärke.
Wo liegen die Probleme bei den Streichern? Da die Viola länger ist als die Violine, hat der linke Arm des Spielers einen größeren Winkel. Während sich bei der Geige der Ellenbogen hin und wieder abstützen lässt, ist er beim Bratschenspiel ständig in der Luft. Dadurch zieht sich die Anspannung durch den Arm bis hoch in den Nacken, wo es - wie auch in der Schulter - zu Verspannungen kommt. Die Außenrotation des Oberarmes (der von Natur aus tendenziell nach innen rotiert) beim Spiel hebt das Schulterblatt nach vorne/oben und belastet so den Schultergürtel.
Dazu kommt, dass die Finger beim Greifen der Töne länger gestreckt werden als bei der Violine. Die Dauerbelastung führt bei Berufsmusikern häufig auch zum „Tennisarm“ und Sehnenscheidenentzündung.
Selbstverständlich ist die Viola nicht nur größer sondern auch schwerer als die Violine, was bei längerem Spiel durchaus spürbar wird. Je nach Haltung vor allem für den Kiefer, der das Instrument hält. Oft leiden Streicher deshalb an Kieferverspannungen, die in Kopfschmerzen, Schwindelgefühlen und nächtlichem Zähneknirschen resultieren können.
Das Stützen des Instruments mit dem Kopf erfordert bei falscher Haltung Druck und kann Nackenprobleme wie Verspannungen, Halswirbelsäulen-Syndrome, verschobene oder verdrehte Halswirbel (Skoliose) verursachen. Diese führen teilweise ähnlich wie die Kieferprobleme zu Kopfschmerzen, Schwindel und weiteren Unannehmlichkeiten.
Die richtige Haltung, Schulterstützen und Kinnhalter
Zum Vorbeugen gegen diese gesundheitlichen Beschwerden ist für Bratschisten und Geiger die Haltung essenziell. Diese sollte spätestens bis zum zwanzigsten Lebensjahr richtig erlernt sein, ansonsten bekommt man die falsche Haltung sehr schwer abtrainiert.
So sollte der Kopf beim Spiel leicht nach links gedreht, aber nicht gekippt werden. Das wichtigste ist, dass die Schultern nicht vor- oder hochgezogen werden. Der Rücken ist aufrecht und stabil, geht aber nicht ins Hohlkreuz.
Für die Schulter- und Halsproblematiken sind richtig ausgewählte und eingestellte Schulter- und Kinnstützen unerlässlich. Schließlich sollte die Bratsche ohne zusätzlichen Druck durch den Kopf gehalten werden. Heute gibt es sogar Werkstätten, die maßgefertigte Kinnhalter und Schulterstützen nach vorher abgenommenen Gipsabdrücken fertigen.
Eine uns bekannte Bratschistin hatte sich durch die falsch eingestellte Schulterstütze beim Spielen eine Vene abgeklemmt, sodass es mehrfach zu Herzrythmusproblemen und Aussetzern kam. Bei solchen unüblichen Problemen bedarf es bisweilen etwas Spürsinn um der Ursache auf den Grund zu kommen. Das Beispiel unterstreicht aber nochmals die Bedeutung der richtigen Schulterstütze.
Tun Sie sich etwas Gutes – Ausgleichsmöglichkeiten
Was tun um den Beschwerden vorzubeugen? Unsere Tipps:
Muskelaufbau! Grundlage für das gesunde Spiel ist die Stärkung der Rücken-, Schulter- und Halsmuskulatur. Besonders Berufsmusiker kommen an diesem Punkt nicht vorbei. Wenngleich nicht jeder gerne sportlich tätig ist, so zahlt sich das Training dieser Bereiche für Bratschisten um ein vielfaches aus!
Ausgleichssport!
Zum Stärken und Dehnen der Muskulatur bieten sich vor allem regelmäßiges Schwimmen und Yoga an.
Für wenig sportbegeisterte, aber auch Menschen hohen Alters oder mit körperlichen Einschränkungen können die „fünf Tibeter“ nach unserer Erfahrung eine gute körperliche Grundlage schaffen. Diese Übungen, die ihren Ursprung im klassischen Hatha-Yoga haben, verbessern unter anderem die Elastizität der Wirbelsäule. Jeden Tag mit 10-20 Minuten die wohl einfachste Möglichkeit etwas für die Gesundheit zu tun. Wenn Sie mehr über die „fünf Tibeter“ erfahren möchten, können Sie die Seite des „fünf Tibeter Dachverbands e.V.“ http://www.fuenf-tibeter.org/ besuchen.
Dehnen!
Dehnübungen, insbesondere von den Fingern bis zum Hals, sind vor dem Spiel aber auch während der Pausen einfache Möglichkeiten um dem Körper einen Ausgleich zu verschaffen. Insbesondere wer Yoga praktiziert wird bereits mit einigen geeigneten Dehnübungen in Berührung gekommen sein. Es bietet sich an diese bei qualifizierten Trainern zu erlernen, da falsch praktizierte Übungen auch Negativfolgen haben können.
Physiotherapie!
Natürlich sind diese Übungen und Sportvorschläge vorbeugend zu verstehen. Für bereits eingetretene gesundheitliche Schwierigkeiten gibt es heute sogar auf Musiker spezialisierte Physiotherapeuten und entsprechende Therapien.
Und zu guter letzt: Gönnen Sie sich hin und wieder eine Massage...
Werner (Facebook) schrieb am 11.02.2017 um 10:19
Umsteigen auf Kontrabass - dann kommen die Haltungsschäden in Zukunft nicht mehr vom Spielen, sondern vom Schleppen...
Astrid schrieb am 13.02.2017 um 08:09
Es hat sich in den letzten Jahren zwar schon einiges getan, aber ich meine, es ist nötig, in dere Ausbildung junger Musiker unbedingt die gesamtkörperliche Statik und und den individuellen Körperbau des/der Spieler/in mit einfließen zu lassen. Große Hände, kleine Hände, lange Arme oder eben kürzere, langer Hals oder nicht, usw.
Es gruselt mich etwas, wenn ich lese, wie denn die richtige Haltung sei. Ich glaube, es ist wichtig, oekonomisches Spielen zu vermitteln, die Körperspannung beim Spielen zu optimieren und Körpergefühl zu vermitteln.
Was Instrumente anbelangt, kann doch nicht die Korpuslänge allein ausschlaggebend sein. Auch beim Instrument ist die Bandbreite gross. Wichtig finde ich vor allem das Verhältnis von Korpuslänge zu schwingender Saitenlänge. Es gibt durchaus Modelle, die für kleinere Hände günstiger sind als andere. Und die Suche danach lohnt sich.