Die Bratsche im Studium: Nachfrage steigend |
Das Instrument ist auf Hochschulebene gefragter denn je.
An den Hofkapellen des 18. Jahrhunderts wurden die Bratschisten verachtet. Viele von ihnen waren «degradierte» Geiger, weil sie nicht gut genug spielten. Vorbei sind die Zeiten, als sie als minderwertig belächelt wurden und die Wurzeln der Geringschätzung sind heute bestenfalls noch spasseshalber zu spüren, zumal
der Schwierigkeitsgrad der Literatur genau so hoch ist wie bei der Geige. Physisch gesehen, ist die Viola sogar noch schwieriger zu erlernen. Entspannt zu spielen, ist die grosse Herausforderung. Nicht von ungefähr sind die Bratschisten die besten Kunden der Physiotherapie.
Ein Wechsel von der Geige zur Viola ist auch noch im Studium möglich. Wichtig ist dabei die Physis: grosse Hände, lange Finger und starke Schultern können einen Wechsel begünstigen. Und natürlich die Liebe zum wunderbaren Bratschenton!
Im Gegensatz zur Musikschulstufe wird bei Profis die Typenfrage zum Thema:
«Bratschisten sind gemütlicher, weniger Ellbogentypen und wollen weniger im Mittelpunkt stehen... Im Ensemble haben sie die Rolle des Vermittelnden und Verbindenden», sagt der Zürcher Nicolas Corti, seit 1995 Professor für Viola an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK. Dort ist die Viola heute ein hoch geschätztes, von fünf international renommierten Dozenten unterrichtetes Studienfach. Die Viola bringt es in Zürich über alle Semester und Studienbereiche verteilt auf momentan 29 Hauptfachstudierende. Das ist verglichen mit den 73 Geigern eine beachtliche Zahl. Dieses Verhältnis war vor 20, 30 Jahren und noch wesentlich unausgeglichener.
Schwieriges Berufsumfeld
Nicolas Corti hat sich mit dem renommierten Amati-Quartett international einen Namen gemacht. Seit 2005 hat er zudem eine 50-Prozent-Stelle als Solobratschist beim Winterthurer Musikkollegium und spielt viele Solokonzerte. Sind fünf Professoren für 29 Studierende nicht etwas hoch gegriffen? Nein, meint Corti, wichtig sei, dass die Studierenden eine Auswahl haben. Nicht jeder Studierende passt zu jedem Professor. Corti nimmt nur Studenten auf, die seiner Ansicht nach eine Chance haben, Erfolg auf dem Musikmarkt zu haben, welcher notabene immer kleiner und anspruchsvoller werde. Der Output an gut ausgebildeten Musikern ist allgemein gestiegen und kontrastiert mit den geringer werdenden Berufsaussichten. Da macht die Viola keine Ausnahme, obwohl bei ihr die Chancen, eine Stelle zu finden, für gute BratschistInnen noch etwas besser sind als bei den andern Streichinstrumenten. Die Studierenden müssen wissen, was sie wollen. Spätestens nach dem Bachelor wird das Berufsziel ein Thema. Die Masterstudiengänge sind dann doch spezialisierter.
Der Traum von vielen ist es, verschiedene Standbeine zu haben, denn immer mehr Orchester gehen zu (wie kürzlich in Spanien und Holland). Heute melden sich bereits 250 bis 350 Personen auf eine Bratschenstelle in einem guten Profiorchester. Die Vielseitigkeit wird schon im Studium gefördert, denn ohne eine breit abgestützte Ausbildung ist eine Musikerkarriere heute schwierig, stressgefährdet und möglicherweise auch nicht so spannend: «Als ich Anfang der Achtzigerjahre mein Studium abschloss, gab es nur wenige Ensemblewettbewerbe, Evian, den wir 1982 mit dem Amati Quartett gewannen, den ARD-Wettbewerb, Banff und den Münchner Karl-Klinger Wettbewerb. Das war mehr oder weniger alles. Heute gibt es eine schier unüberschaubare Anzahl an Wettbewerben». Das Geheimnis für sein erfülltes Musikerdasein sieht Corti tatsächlich in der Mehrfachbeschäftigung: «Ohne eine abwechslungsreiche Tätigkeit als Unterrichtender, Solist, Ensemblemusiker, Orchestermusiker mit wechselnden Schwerpunkten hätte ich meinen Beruf wahrscheinlich nicht so lange mit Freude gemacht».
Auch bei den Ausschreibungen für Professuren gehen viele Bewerbungen mit erstklassigem Profil ein. So geschehen diesen Frühling, als in Zürich eine Nachfolge für Christoph Schiller gesucht und in der renommierten deutschen Bratschistin Diemut Poppen gefunden wurde: «Das Niveau war sehr hoch, man konnte auswählen. Das war früher viel weniger der Fall», berichtet Nicolas Corti.
Der Output an erfolgreichen Viola-Absolventen ist beachtlich an ZHdK: «Praktisch alle meine Studenten sind irgendwo untergekommen und keiner musste später den Beruf wechseln».
Lesen Sie auch den Teil 1:
Die Bratsche an der Musikschule: längst aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Bevorstehende Konzerte mit Nicolas Corti:
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